Messungen zur Zeitdilatation mit Atomuhren

Im Jahre 1971 führten die amerikanischen Physiker J. C. Hafele und R. E. Keating Messungen durch, die einen direkten Nachweis der einsteinschen Zeitdilatation zum Ziel hatten. Die beiden Wissenschaftler nahmen mehrere sehr genau gehende Caesium-Atomuhren mit an Bord von kommerziellen Linienflugzeugen und verglichen vor und nach den Flügen die von den Uhren angezeigte Zeit mit Atomuhren am Boden.

Die Auswertung einer solchen Messung ist verhältnismäßig kompliziert, da die genauen Flugdaten (Flugrouten, -höhen und -geschwindigkeiten) berücksichtigt werden müssen. Daher soll hier nur ein vereinfachte Version durchgerechnet werden, nämlich je ein 50-stündiger Flug mit 800 km/h entlang des Äquators in östlicher bzw. westlicher Richtung.

Wichtig ist zunächst, dass der Erdboden, auf dem sich die Vergleichsuhren befinden, kein Inertialsystem darstellt. Schuld daran ist die Erdrotation. Zum Vergleich wird daher ein Bezugssystem verwendet, das die Erdrotation nicht mitmacht. U sei eine gedachte Uhr, die in diesem Bezugssystem ruht. Eine Uhr, die sich relativ zu U mit der Geschwindigkeit v bewegt, geht nach einem Flug der Dauer t gegenüber U näherungsweise um Δt  =  v2/(2c2) · t nach. (Dass hier nicht die exakte Formel verwendet wird, liegt an den großen Rundungsfehlern, die bei handelsüblichen Taschenrechnern für Geschwindigkeiten weit unter der Lichtgeschwindigkeit auftreten würden.)

Eine reale Uhr am Boden bewegt sich relativ zur gedachten Uhr U mit etwa 40 000 km / (24 · 3600 s)  =  463 m/s. Für eine Uhr im ostwärts fliegenden Flugzeug erhält man 40 000 km / (24 · 3600 s) + 800 km / 3600 s  =  685 m/s, für eine Uhr im westwärts fliegenden Flugzeug dagegen 40 000 km / (24 · 3600 s) − 800 km / 3600 s  =  241 m/s. Als Zeitabweichung aufgrund der jeweiligen Bewegung errechnet man daraus folgende Werte:

Uhr Geschwindigkeit v
(relativ zu U)
Nachgehen der Uhr, Δt  =  v2/(2c2) · t
(gegenüber U)
Boden 463 m/s 214 ns
Flugzeug auf Ostkurs 685 m/s 469 ns
Flugzeug auf Westkurs 241 m/s 58 ns

Die Sache ist aber noch komplizierter! Nach einem wichtigen Resultat der allgemeinen Relativitätstheorie beeinflusst auch die Gravitation den Gang einer Uhr. Eine Uhr in der Höhe h über dem Boden geht nach Ablauf der Zeit t näherungsweise um Δt'  =  (gh/c2) · t gegenüber einer Vergleichsuhr am Boden vor. g steht dabei für die Fallbeschleunigung, die am Äquator ungefähr 9,78 m/s2 beträgt. Rechnet man mit einer durchschnittlichen Flughöhe von 9 km, so erhält man einen Zeitunterschied von 176 ns.

Unter dem Strich erhalten wir also folgende Voraussage:

Uhr Abweichung gegenüber der Uhr am Boden
Flugzeug auf Ostkurs 214 ns − 469 ns + 176 ns  =  −79 ns
Die Uhr geht um 79 ns nach.
Flugzeug auf Westkurs 214 ns − 58 ns + 176 ns  =  +332 ns
Die Uhr geht um 332 ns vor.

Bei der tatsächlichen Durchführung der Messungen erhielten Hafele und Keating folgende Ergebnisse:

Uhr Vorhergesagte Abweichung Gemessene Abweichung
Flugzeug auf Ostkurs −40 ns ± 23 ns −59 ns ± 10 ns
Flugzeug auf Westkurs 275 ns ± 21 ns 273 ns ± 7 ns

URL: www.walter-fendt.de/zd/zd_hk.htm
Walter Fendt
Letzte Änderung: 11. Januar 2021